Der Tag des Glücks

Waren Sie schon mal glücklich?
Ich war schon mal glücklich.
Echt!
Einmal, im Sommer.
Oder war es – nein warten Sie –
ja, es kann noch Sommer gewesen sein,
vielleicht Anfang Herbst.
Aber im Herbst bin ich mehr melancholisch,
Sie wissen schon, wenn die Blätter fallen
und alles zu Ende geht
und es trüb und diesig ist
und man immer nasse Füße hat
und an den Tod denken muss.
Wenn ich an den Tod denke, bin ich nicht glücklich.
Nein, ich denke nicht gern an den Tod,
aber im Herbst gehört es gewissermaßen dazu
und dann ist ja dann auch dieser Feiertag,
da gehe ich auch auf den Friedhof.
Aber glücklich bin ich dort nicht.
Die meisten sind ja eher
im Frühling glücklich,
Sie wissen schon, wenn alles erblüht
neu beginnt und sprießt
und die Vögel wieder zu singen anfangen.
Aber mich macht das Gezwitscher doch mehr nervös
muss ich sagen, früh am Morgen vor allem
da ist oft der Lärm
gar nicht auszuhalten.
Viele verlieben sich auch gern im Frühling
nicht wahr
und dann sind sie glücklich, für eine Weile jedenfalls.
Ich ja weniger,
weil ich mich auch nicht so gern verliebe.
Ich hab meine Gründe, ich könnte Ihnen
leicht einen Vortrag darüber halten.
Aber einmal eben, ich glaube, es war 83, kann auch 84 gewesen sein,
da war ich – wie gesagt – einmal glücklich.
Ein Dienstag war es, das weiß ich,
weil ich noch gedacht habe: Dienstag
ist doch eigentlich nicht der typische Tag
um glücklich zu sein.
Aber es war ein Dienstag.
Im Spätsommer, wie gesagt, oder im Frühherbst,
jedenfalls war es heiß und ich habe geschwitzt.
Ich erinnere mich genau, dass ich geschwitzt habe,
ziemlich stark sogar,
mit Schweißflecken unter den Achseln.
Sonst belastet mich sowas ja eher,
man fragt sich dann doch
ob einen die Leute nicht ansehn deswegen,
aber in diesem Moment, sag ich ihnen,
war mir das egal. In diesem Moment
hab ich mich darüber hinweggesetzt
und mir gedacht: Was kümmern mich Schweißflecken,
solange ich glücklich bin!
Wie gesagt, 83 war das, oder 84
warten Sie, jetzt fällt es mir wieder ein,
ich hab es doch aufgeschrieben,
in mein Tagebuch, viel steht ja nicht drin,
aber das war doch interessant genug um es aufzuschreiben.
Schauen Sie, da steht es ja:
28. August 1984:
Heute um 16 Uhr dreißig, kurz nach Arbeitsschluss
auf dem Heimweg vom Büro
war ich für ca. 1 Minute und 30 Sekunden
ohne besonderen Anlass
vollkommen glücklich.

Playlist:
The Chapin Sisters – Don‘t Love You – BY-NC-ND
Happy Six – Siam Soo – PD
Martin Auer – Waren Sie schon mal glücklich? – BY-NC-SA
The Bomb Busters – Good to be Alone – BY-NC-SA
Martin Auer – In diesen herrlichen Tagen – BY-NC-SA
The Kidney Brothers – Wolf – BY-NC-ND
Martin Auer – Wenn die Engel schlafen gehen – BY-NC-SA
Samm Bennett – Edge of Town – BY-NC-ND
Martin Auer – Sportin‘ Life Blues – BY-NC-SA
HappyTraum – Sportin‘ Life Blues –
Martin Auer – Singen leise Wasser – BY-NC-SA
Soni Ventorum – Alegretto aus dem Bläserquintett von Franz
Danzi – BY-SA
Martin Auer – Das Kind auf der Wolke – BY-NC-SA
Brahim Fribgane – Live Improvisation for Oud – BY-NC-ND
Martin Auer – Wann i so alt bin wia r a Zwerg – BY-NC-SA
Samm Bennett – Jaka Jaka Bean – BY-NC-ND
Kevin McLeod – Signation – BY


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