Folge 1 – Stadt der Fremden

Dies ist der Roman über einen europäischen Schriftsteller, der – auf Vortragsreise in der afrikanischen Großstadt Nairobi – unvermittelt in die Affären der kenianischen Politik verwickelt wird und mit den erschreckenden und bedrohlichen Lebensverhältnissen der Slums konfrontiert ist.

»Nairobi riecht wie Frangipani und Diesel«, notiert er. Schwarze Dieselwolken hängen in der Luft, doch die Frangipani-Bäume mischen ihr Honigparfum hinein. In Nairobi sind alle auf der Durchreise, auch die, die hier geboren wurden und hier sterben.

»Was soll ich hier?«, fragt sich der Protagonist. »Ich bin hier, um Vorträge über kreatives Schreiben zu halten. In vier Stunden jeweils soll ich aus meinen Werken lesen, Fragen beantworten und den Studenten zeigen, wie man auf Deutsch ein Gedicht schreibt. ŽKreatives Schreiben kann man gar nicht unterrichten.` Mit dieser Feststellung beginne ich meistens meinen Vortrag«.

Schließlich verliebt sich der Held, schläft mit der falschen Frau, stolpert über eine Leiche und ist plötzlich mitten drin in einem Korruptionsfall. – Ein witziger und gleichzeitig trauriger Roman über das Verhältnis von Nord und Süd, Schwarz und Weiß, Frau und Mann.

Diese Geschichte ist zwar fiktiv, aber nicht frei erfunden. Die vom Autor gemeinsam mit Jugendlichen SlumbewohnerInnen erstellte Website findet sich unter huruma.kwikk.info

Das Buch ist im Mandelbaum Verlag erschienen.

Playlist:

The Consciuous Youths – Don’t Wanna Lie – BY-NC-ND

Flüchtlingsgeschichten

Sie wollen Sachen ins Flüchtlingslager Traiskirchen bringen? Na gut, dann nehm ich Sie umsonst mit. Ich war dieser Tage auch öfter in Traiskirchen. Das erste Mal habe ich Kindergewand hingebracht, und dann habe ich auf der Wiese Deutschunterrricht gegeben. Über die skandalösen Zustände im Flüchtlingslager brauche ich Ihnen ja nichts zu erzählen. Aber es ist wirklich schön zu sehen, wie viele Menschen kommen, um zu helfen. Dazu muss man kein Held sein, man muss nur ein bisschen seine eigene Schüchternheit überwinden. Hier finden Sie Links zu Organisationen, Vereinen, Pfarren, Flüchtlingsunterkünften usw., wo Sie sich beteiligen können.

http://www.asyl.at/adressen/initiativen.htm
http://www.sosmitmensch.at/site/home/article/1041.html
http://www.fluechtlinge-willkommen.at/
https://www.caritas.at/hilfe-beratung/migrantinnen-fluechtlinge/unterbringung-versorgung/fluechtlingswohnhaeuser/

Nicht nur in Traiskirchen, im ganzen Land gibt es Flüchtlinge, die ohne Kontakt zur Umwelt in irgendwelchen abgelegenen Unterkünften nichts zu tun haben als zu warten. Man muss nur hingehen. Deutschunterricht ist natürlich überall wichtig, aber man kann sie auch einladen, im Fußballverein mitzumachen oder beim Nähkränzchen oder was auch immer. Im Kassettenrecorder habe ich heute Musik aus Afghanistan und Syrien und dazwischen möchte ich Ihnen ein paar Flüchtlingsgeschichten erzählen. Ein paar Gedichte sind auch dabei.

Die Musik und Poesie von Dan Plews

Heute fahre ich ausnahmsweise raus aus Wien, über’n Tulbinger Kogel nach Tulbing und treffe dort Dan Plews. Dan ist ein Singer-Songwriter aus England, er unterrichtet Professional Musicianship am College in Northampton und tritt auf der ganzen Welt auf, meistens als Solist. Er gibt auch Songwriting-Workshops, unter anderem auch in Österreich, allerdings erst wieder nächstes Jahr. Er hat AORTAS gegründet, das klingt wie die menschliche Hauptschlagader, ist aber die Abkürzung für Association for Oral Traditions and Songwriting. Die Homepage lautet www.aortas.org.uk. Dans Facebook-Seite ist: www.facebook.com/danplews

Das, was an Dan sofort auffällt, ist seine unglaubliche Intensität. Er steht beim Musizieren unter Volldampf. Sein vielleicht wichtigstes Lied kommt ganz am Schluss der Sendung. Es handelt von einem Auftragskiller, der sich rechtfertigt: Die Arbeitszeit ist nicht schlecht und die Bezahlung ist gut, und wenn ich den Job nicht machen würde, dann tät’s ein anderer. Damit beschreibt Dan – der auch Politik und Philosphie studiert hat – einen der gefährlichsten Knoten in den zwischenmenschlichen Verstrickungen, die dazu führen, dass wir alle an unserem eigenen Elend mitarbeiten.

Noch ein Link: Floorspot, an open stage for singer-songwriters in Vienna: www.floorspot.org/

Playlist:

Dan Plews: Hearts and Books
Dan Plews: Farewell Rose of England
Dan Plews: : Leah‘ Waltz
Billy Bragg: Which Side are You on?
Leon Rosselson: World Turned Upside Down
Ewan MacColl und Peggy Seeger: Sweet Thames Flow Softly
Dan Plews: Ninjago
Dan Plews und AnneMarie Hoeller: Click Click
Dan Plews: Death in the Raincoat

Wer ist hier der Herr Balaban?

Herr Balaban war einmal in großen Geldnöten. Er traf einen Freund und sagte zu ihm: „Ach bitte, leih mir doch einen Hunderter!“
„Tut mir leid“, sagte der Freund, „ich hab nur einen Fünfziger bei mir!“
„Na, ist recht“, sagte Herr Balaban, „dann gib mir inzwischen den Fünfziger. Dann schuldest du mir noch einen Fünfziger und ich schulde dir einen Fünfziger – und wir sind quitt!“

Neue Geschichte von dem Einwanderer aus Usbekistan und seiner schnippischen Tochter. Dazu Balkan Brass? Nein, es ist indische Blasmusik, teils Bollywood und teils Jazz: Sunny Jain’s Red Baraat Festival (New York), Jaipur Kawa Brass Band und Jaipur Maharaja Brass Band.

Ein Stein der Erinnerung für vier Dichterinnen und Dichter

Wenn Sie in der Heinestraße zu tun haben, da könnte ich Ihnen viel erzählen. Die war auch einmal ein Zentrum jüdischen Lebens in Wien. Da haben zum Beispiel zwei galizische Wunderrabbis gewohnt, der Skoler Rebbe und der Czortkower Rebbe. Gleich in der Nähe war der Pazmanitentempel, da sind die moderneren gläubigen Juden hingegangen. Nachdem die Nazitruppen in Österreich einmarschiert sind, haben die österreichische SA und Hitlerjugend Juden und Jüdinnen gezwungen, die Parolen gegen den Anschluss von den Straßen zu waschen, das wissen Sie ja, und haben das auch noch stolz fotografiert. Nicht wenige von diesen Fotos sind in der Heinestraße gemacht worden. Natürlich finden Sie auch einige Steine der Erinnerung in der Heinestraße, für Menschen, die die Nazis ermordet haben, weil sie Juden waren. Da, auf dem Platzl bei Heinestraße Nr. 32 ist ein Stein für vier Wiener Dichter und Dichterinnen. Adolf Unger, Thekla Merwin, Walter Lindenbaum und Adele Jellinek.

Playlist:

Litvakus Khayka Zhydovka BY-NC-ND
Litvakus Shuster BY-NC-ND
Adolf Unger Jeden Tag Punkt sieben BY-NC-SA
Adolf Unger Im Versatzamt BY-NC-SA
Adolf Unger Schneider in New York BY-NC-SA
Litvakus Khaiterma BY-NC-ND
Adolf Unger Kleiner Song BY-NC-SA
Adolf Unger Alltägliches Lied BY-NC-SA
Adolf Unger Kameraden BY-NC-SA
Adolf Unger Vier Zeilen vom Brot BY-NC-SA
Litvakus Chashnik BY-NC-ND
Thekla Merwin Mutter Erde BY-NC-SA
Thekla Merwin Die Stadt BY-NC-SA
Thekla Merwin Wer leben bleibt, ist Sieger BY-NC-SA
Litvakus Khosidl BY-NC-ND
Walter Lindenbaum Nimmt der Herr die Suppe BY-NC-SA
Walter Lindenbaum Juden am Bahnhof BY-NC-SA
Walter Lindenbaum Das Lied von Theresienstadt BY-NC-SA
Litvakus Freylekh BY-NC-ND
Adele Jellinek Brot und Rosen BY-NC-SA
Litvakus Blaybt unz gesunt BY-NC-ND

Pygmalion

„Pygmalion“ und „Das Marmorbildnis“ sind Geschichten über Kunst und Künstler. Und über die Liebe. Und über den Tod. Und über Etwas. Und über Nichts.

„Zu der Zeit, als die meisten Bildhauer ihre Skulpturen aus elektronischen Bauteilen, Pla­stikrohren, Gips und Videomonitoren zusam­menbauten, lebte in Portugal ein seltsamer Künstler, der Bilder von Menschen in Marmor meißelte und sich zum Ziel setzte, sie so le­benswahr wie nur möglich erscheinen zu las­sen. Von der Kunstwelt wurde er jahrzehnte­lang links liegen gelassen, und doch sahen viele Leute täglich die Werke des Künstlers, denn er hatte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, die Vorbilder für eine besonders be­liebte Serie von Schaufensterpuppen model­liert, und auch mehrere Grabsteinfirmen mit Entwür­fen zu trauernden Engeln beliefert.

Doch eines Tages, er hatte die Fünfzig schon überschritten, kam auch seine Stunde …“

Ronnie – Guitar Piece
Oprachina – Attimi – BY – NC – SA
Martin Auer – Pygmalion – BY – NC – SA
The Stoner – Satan i Uppsala – BY – NC – ND
Trans Atlantic Rage – A Pretty Slick Hobo – BY – NC – SA
Martin Auer – Das Marmorbildnis – BY – NC – SA
Somewhere off Jazz Street – Echo – BY – NC
Trio Lio – Coure – BY – NC – ND
Martin Auer – Das Nichts – BY – NC – SA
Quantum Jazz – Balcarabic Chicken – BY – SA

Lössland

Heute geht die Fahrt nach Niederhollabrunn. In Niederhollabrunn können Sie sich auf den Theodor-Kramer-Rundwanderweg begeben. Theodor Kramer ist dort geboren, einer der größten österreichischen Lyriker, aber leider noch immer nicht so bekannt wie er es verdienen würde. Theodor Kramer, hat von 1897 bis 1958 gelebt. Er hat an die 12.000 Gedichte geschrieben über das Leben von Proletariern, Landstreichern, Handwerkern, Knechten, Huren … Er hat einfühlsame Rollengedichte und eigenwillige Landschaftslyrik verfasst. Thomas Mann hat ihn „einen der größten Dichter der jüngeren Generation“ genannt. Als Jude und Sozialdemokrat verfolgt, hat Kramer 1939 ins Exil gehen müssen und nach dem 2. Weltkrieg war sein Werk lange Zeit vergessen.

Balladen und Legenden

Der Taxler wird diesmal nicht den Kassettenrecorder einschalten, um die Fahrgäste zu unterhalten, sondern selber singen. Er ist ja nicht nur Schriftsteller im Nebenberuf, sondern immer wieder auch musikalisch tätig. Eine seiner Vorlieben ist die Folk- und Volxmusik, und besonders mag er die schottischen, irischen und bretonischen Balladen. Aber auch jiddische Lieder und afro-amerikanische Worksongs sind dabei. Und mindestens ein Lied aus Tirol. Wie es seine Gewohnheit ist, wird er dazwischen lyrische Texte einstreuen. Also einsteigen, der Taxameter bleibt diesmal ausgeschaltet und wenn alle zusammenrutschen, passt immer noch eine Person mehr rein.

trad. The Wild Mountain Thyme PD
Martin Auer Weißt du noch? BY-NC-SA
trad. Friendless Mary PD
Martin Auer Gute Zeit BY-NC-SA
trad. Alle Wasserlech fliessn awek PD
trad. Addio amore PD
Martin Auer Die mit Sicheln mähen BY-NC-SA
trad. Kad se jutro stanem PD
trad. Jutanska fabrika PD
Martin Auer Als sie siebzehn war BY-NC-SA
trad. Prettiest Train PD
Martin Auer Der Sklave BY-NC-SA
trad. Take this Hammer PD
trad. I’m a Four Loom Weaver PD
trad. Black Betty PD
Martin Auer Etwas verkohlte Haut BY-NC-SA
Benno Simma/Richard Menghin Tod im Bergwerk
Ewan MacColl Just a Note
Martin Auer Früher einmal hatten die Stahlarbeiter BY-NC-SA
Ewan MacColl The Driver‘s Song
Martin Auer Und eine entdeckte das Schweigen BY-NC-SA
Martin Auer Über die Erdn BY-NC-SA

Ich schon, aber du nicht! (Herr Balaban)

Einmal ging Herr Balaban auf der Straße und dachte über die Rätsel der Welt nach. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht merkte, dass er auf den Schienen der Straßenbahn ging. Auch das wütende Klingeln des Fahrers hörte er nicht. Schließlich beugte sich der Fahrer aus dem Fenster und schrie: „Kannst du nicht von den Schienen runtergehen, du Esel?“
Da blickte sich Herr Balaban um, merkte, wo er war, und sagte wahrheitsgemäß: „Ich schon, aber du nicht!“

Samm Bennett My My My BY-NC-ND
Samm Bennett Devil on the Level BY-NC-ND
Samm Bennett Until You Kiss Me BY-NC-ND
Samm Bennett Never Took a Dollar from a Dead Man BY-NC-ND
Samm Bennett Lexington Avenue Line BY-NC-ND
Samm Bennett Bonafide BY-NC-ND
Samm Bennett If I Could Just Pull it Off BY-NC-ND
Samm Bennett Instrumental BY-NC-ND
Samm Bennett Swamp Root Liver Cure BY-NC-ND
Samm Bennett Lonely Boy BY-NC-ND
Samm Bennett That’s the Way it Wiggles BY-NC-ND
Samm Bennett Grateful Wanderer BY-NC-ND
Martin Auer Herr Balaban und seine Tochter Selda (Ausschnitte) BY-NC-SA
Kevin McLeod Signation (Dirt Rhodes BY

Folge 6 Küss die Hand, gute Nacht, die liebe Mutter soll gut schlafen

“Martin Auer erzählt in dem Buch ‘Küss die Hand, gute Nacht, die liebe Mutter soll gut schlafen’ aufgrund von Tonbandaufzeichnungen von Kindheit und Jugend seiner Mutter Trude. Sie kommt 1936 als neunjährige Vollwaise mit ihrer Schwester ins evangelische Waisenhaus in Wien. Dort tyrannisiert die ‘Liebmutter’ ihre Zöglinge, während draußen der Austrofaschismus seine Diktatur errichtet hat. Geschildert werden die Schicksale der kleinen Leute, die Ereignisse der Ersten Republik, der Einmarsch Hitlers, die Kriegszeit und die unmittelbare Nachkriegszeit. Die eingewobenen Zitate aus dem Alltag zeigen ein Leben, das unter der Kälte des äußeren und inneren Drills leidet, sich daraus zu befreien sucht und den Nachkommen dennoch Hoffnung gibt. ‘Die Mama hat auch gesagt, dass der Hitler den Krieg will. Damals, wie der Hitler im Reich die Wahlen gewonnen hat. Und der Krieg ist doch schuld, dass wir keinen Vatern haben. Eigentlich kann ich mich gar nicht erinnern an den Vatern, nur zwei lange Hosenhaxen, sonst nichts. Aber die Tuberkulose, die hat der Vater vom Krieg gehabt, weil sie ihm in die Lunge geschossen haben, und ich will nicht, dass es wieder Krieg gibt. Damals hab ich mir vorgenommen, dass ich alle Kinder zusammenruf, und ich geh mit ihnen und wir machen einen Kinderkreuzzug, und wir gehen alle zu diesem Hitler hin und sagen ihm, es soll kein Krieg sein… Aber der Hitler macht gar keinen Krieg, sonst hätten ihn doch die Arbeiter gar nicht gewählt… Nur die Deutschen, die sollen alle heim ins Reich kommen, damit es der ganzen Nation besser geht, und wir sind ja Deutsche, weil wir reden ja so, und das heißt national.‘“
Jutta Kleedorfer
(in: “Tu Felix Austria Juble”)

„Die Entschuldigung“, 9.April 2015, Amerlinghaus Wien

Das Buch “Küss die Hand, gute Nacht, die liebe Mutter soll gut schlafen” ist als eBook erhältlich auf amazon.de

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